Die Websites der anderen

Muss man erlebt haben! So kommen also Akquise-Schreiben von Agenturen an. Wir lassen Sie an dieser Erfahrung teilhaben – lesen Sie dazu unseren Blogartikel.

Am 18. Mai flatterte bei uns ein Brief ins Haus. Absender: eine große Agentur aus Niedersachsen. Durchaus ein renommierter Name in der Branche. Deutlich über 100 Mitarbeiter, eine Reihe namhafter Kunden. Was die wohl von uns wollten? Neugierig öffneten wir den Umschlag.

Heraus kamen drei Blatt Papier, auf denen sich ein nettes Anschreiben und ein paar Visualisierungen befanden. Ein klassisches Akquiseschreiben. Inhalt: Unsere Seite sei von den Profis der Agentur analysiert worden. Wir hätten leider nur einen Score von 73 erreicht. 100 Punkte wären möglich gewesen. Es bestehe also Optimierungspotenzial.

Unsinn und handwerkliche Fehler

Die Niedersachsen sind in Sachen Akquise anscheinend auch analog unterwegs. Und bedienen sich der durchaus adäquaten Möglichkeit des Website-Checks. Anders lässt sich dieses nicht erklären. Denn auch wenn die Aufmachung optisch nett daherkommt, der Inhalt ist es leider nicht.

Hier wird mit dem Unwissen von Menschen gearbeitet, die sich mit den Kennziffern und Optimierungsmöglichkeiten von Websites nicht auskennen. Und Problemfelder aufgemacht, die eigentlich keine sind. Welche das sind und warum wir das bei 40komma6 nicht gutheißen, will ich im Einzelnen herausstellen. Und am Ende des Artikels verrate ich auch, wie unserer nächsten Schritte aussehen.

Der Score

Die Fragezeichen beginnen mit dem Anschreiben. Von einem Gesamtscore ist die Rede. Wie sich dieser zusammensetzt, bleibt ein Geheimnis. Auch ab wann eine Seite als gut gilt und wann als schlecht, wird uns nicht verraten. 73 Punkte scheinen jedoch offenbar nicht ausreichend zu sein.

Modernes System

„Ein Wechsel zu einem modernen System bietet Ihnen folgende Vorteile: (…)“ Die Aussage ist natürlich richtig. Sie impliziert jedoch, dass unser System veraltet ist, was schlicht falsch ist. CMS und Server sind auf dem neuesten Stand. Das dies von den Absendern vor dem Erstellen des Anschreibens geprüft wurde, darf bezweifelt werden.

Namedropping

Erfolgreich sein wie die Großen. Amazon, Zalando und Apple werden in einem „Atemzug“ erwähnt. Beauftragen wir diese Agentur, dann wird die User-Experience unserer Seite genauso gut und wir bestimmt mindestens ebenso erfolgreich wie die multinational operierenden Konzerne.

Allgemeinplätze und Halbwahrheiten

Die folgenden Punkte sind derart schwammig formuliert, dass sich der Leser fragt, was denn nun damit gemeint ist. Moderne CMS-Systeme denken die mobile Darstellung mit – moderne Agenturen sowieso. Ob und in wieweit schnellere Ladezeiten die Wahrnehmung der Kunden beeinflussen, ist zumindest diskussionswürdig und zudem schwer messbar. Und auch, ob die modulare Software nun soviel besser dasteht, als ein individuelles System, ist sicherlich ein Thema, bei dem der ein oder andere Webmaster ein Wörtchen mitreden wollen würde.

Analyse in Zahlen

Das nichtssagende, generische Anschreiben ist jedoch nicht das eigentliche Problem dieses Briefes. Es ist die Analyse samt grafischer Aufbereitung, die stutzen lässt. Und die darauf abzielt, aus Unwissen Profit zu ziehen.

Die erste Frage, die sich stellt, ist die des Adressaten. Die visuelle Aufbereitung ist so gehalten, dass ein jeder sie versteht. Überschriften und Text hingegen wimmeln von Fachbegriffen, die unzureichend erklärt werden. Auch ein Versuch, die gewählten Parameter in einen Kontext zu setzen, wird nicht unternommen. Die Informationen bleiben oberflächlich und suggerieren eine Relevanz, die sie in vielen Fällen gar nicht haben.

Schneller ist besser

Im Fokus steht die Seitengeschwindigkeit. Angesichts der momentanen Entwicklung rund um die Core Web Vitals eine gute Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu generieren. Nicht erwähnt wird allerdings, dass die Ladegeschwindigkeit im Tagesverlauf durchaus Schwankungen unterworfen ist, der ermittelte Wert deshalb nur eine Momentaufnahme darstellt und keinesfalls als fix angenommen werden sollte. Auch über Grenzwerte und Optimierungsmöglichkeiten schweigt sich das Papier aus und überlässt diese der Fantasie.

Lieben Sie Roboter?

Punkte wie Sitemap, Title Länge oder die Prüfung der Description sind gängige SEO-Maßnahmen, die jede Agentur bei Optimierungsarbeiten weit oben auf der Liste hat. Umso verwunderlicher ist der Verweis auf die robots.txt. Die Beschreibung ist kurz: „Die Robots.txt enthält wichtige Anweisungen für die Suchmaschine.“ Unser Wert beträgt 0%, da eine entsprechende Angabe im Quellcode nicht gefunden wurde.

Ein riesiges Problem, so scheint es. Doch das Vorhandensein der robots.txt ist überhaupt nicht erforderlich. Ist sie nicht festgelegt, gelten automatisch die Default-Werte. Das bedeutet, Google indexiert die Seite wie jede andere und folgt auch allen ausgehenden Links. Eine Einstellung, die für die allermeisten Seiten absolut sinnvoll ist.

Fazit: Geschäftspraxis von vorgestern

„Worüber regt ihr euch so auf? Ist ein ganz normales Kaltakquise-Schreiben, das einfach in den nächsten Papierkorb gehört“, mag der ein oder andere denken. Das sehen wir etwas anders. Hier wird nicht einfach nur eine Leistung angeboten. Hier wird aus Unwissenheit und Angst versucht, Profit zu schlagen. Es sind Agenturen wie diese, die dafür sorgen, dass die Online-Branche noch immer auch einen zweifelhaften Ruf genießt. Mit einem sauberen Geschäftsgebaren, mit Transparenz und Ehrlichkeit hat das wenig zu tun.

Abgesehen davon, dass wir uns als Agentur gegen genau dieses Verhalten vehement zu Wehr setzen, geht es hier natürlich auch ein Stück weit um unsere Ehre. Das Schreiben zweifelt unsere Kompetenz und Fähigkeit an. Das können wir so nicht auf uns sitzen lassen. Deshalb wollten wir einmal sehen, wie es denn um den Auftritt der anderen Agentur bestellt ist. Die Ergebnisse finden Sie in den Screenshots im Artikel.